Sozialbetreuung als wesentlicher Schlüssel zur Überwindung der Pflegekrise

Tödtling-Musenbichler: „Damit Sozialbetreuung ihr volles Potential am Weg raus aus der Pflegekrise entfalten kann, brauchen wir einen Ausbau in der Ausbildung und bessere Arbeitsbedingungen.“

„Die Pflegekrise ist tägliche Realität. Um die bestmögliche Pflege und Betreuung für Menschen auch zukünftig gewährleisten zu können, braucht es eine echte Systemreform – und damit auch eine wesentliche Stärkung der Berufsgruppe der Sozialbetreuer*innen“, sagt Caritas Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler im Rahmen eines Pressegesprächs gemeinsam mit unserem Caritasdirektor Ernst Sandriesser und den beiden Auszubildenden Ulli Erben und Thorsten Auer in der Caritas Schule für Sozialbetreuungsberufe in der Wiener Brotfabrik.

 

Während die Pflege die Disziplin ist, die sich mit dem Themenfeld Gesundheit und Krankheit in all seinen Facetten beschäftigt, kümmert sich die Sozialbetreuung hauptsächlich um die menschlichen Herausforderungen des Alltags und um neue Perspektiven – sowohl in der Betreuung von alten und hochbetagten Menschen, Menschen mit Behinderungen, aber auch mit Familien in besonders herausfordernden Situationen. „Ziel der Sozialbetreuung ist es, den Menschen ihre persönliche Freiheit im Alltag soweit als möglich zurückzugeben, ihnen ein gutes, möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, und ein – eventuell neues – Lebenskonzept gemeinsam zu erarbeiten“, so Tödtling-Musenbichler.

Pflege und Sozialbetreuung gehen in der Praxis Hand in Hand. Jedoch: Das Potential der Berufsgruppe der Sozialbetreuer*innen wird bei Weitem nicht vollständig ausgeschöpft, so die Präsidentin: „Die Berufsgruppe wurde zwar im Rahmen der Pflegereform mitgedacht – jedoch noch nicht vollumfänglich in den Pflegeschlüsseln der Länder anerkannt und mit ihren Kompetenzen aufgenommen. Ebenso fehlen die Sozialbetreuungsberufe in den offiziellen Erhebungen und im Gesundheitsberuferegister.“  Damit Sozialbetreuung jedoch ihr volles Potenzial am Weg raus aus der Pflegekrise entfalten kann, muss sie ausgebaut, in alle Bereiche integriert und die Arbeitsbedingungen verbessert werden, so Tödtling-Musenbichler weiter: „Es liegt an uns, ein Umfeld zu schaffen, in dem Pflegekräfte und Sozialbetreuer*innen bestmöglich arbeiten können“.

Mehr Infrastruktur, mehr Ausbildungsplätze und mehr Lehrende in der Sozialbetreuung notwendig

Österreichweit bilden wir als Caritas in unseren Schulen für Sozialbetreuungsberufe aktuell 3.500 Auszubildende an 13 Standorten in 6 Bundesländern aus und leistet damit einen wichtigen Beitrag in der Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Pflege und Sozialbetreuung. Zur Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen Ausbildung sind für uns auch Verbesserungen in der Ausbildung wichtig, mahnt Kärntens Caritas Direktor Ernst Sandriesser: „Mehr Infrastruktur, mehr Ausbildungsplätze, aber damit klarerweise auch mehr Lehrende und einen guten Umgang mit der Praxisanleitung.“

Derzeit stoße man jedoch auf grobe Hürden, so Sandriesser: „Um das volle Potential der Sozialbetreuung im steigenden Fachkräftemangel zu nutzen, ist der Ausbau von Ausbildungsplätzen notwendig, auch braucht es Investitionen an unseren Schulen, die auf zukünftige Skills im Berufsfeld optimal vorbereiten, etwa im Bereich Digitalisierung. Bedauerlicherweise sind aber Schulen für Sozialbetreuungsberufe im Gegensatz zu anderen berufsbildenden Schulen von Bundesförderungen ausgeschlossen. Das ergibt eine Zwickmühle: Wollen wir mehr Schulplätze schaffen und Standorte modernisieren, müssen wir dies über höhere Schulgelder für die Auszubildenden tun – ganz und gar nicht im Sinne einer Attraktivierung. Wir appellieren daher für eine Infrastrukturförderung der Politik auch für unsere Schulen.“

Nicht zuletzt appelliert Sandriesser dafür, Pflege und Betreuung auch bei der laufenden Lehrer*innenoffensive mitzudenken: „Der Lehrendenmangel macht auch an unseren Schulen nicht halt. Damit wir genügend gut ausgebildete Fachkräfte haben, müssen auch attraktive und unkomplizierte Wege des Umstiegs in den Lehrberuf samt Finanzierung geschaffen werden.“

Letztendlich gilt es sicherzustellen, dass Menschen, die auf Pflege und Betreuung angewiesen sind, wirklich die bestmögliche Unterstützung und Förderung bekommen, so Präsidentin Tödtling-Musenbichler abschließend: „Nur so können wir der Pflegekrise etwas entgegensetzen und den betroffenen Menschen Lebensfreude und Perspektiven geben.“